Die neue Rechts-und Verfahrensordnung zum 01.07.2017
Diese Vorteile bringt die neue RuVO:
- Benutzerfreundlichkeit: Im Verlauf der Jahre wurde die bisherige RuVO durch häufige Änderung zwangsläufig unübersichtlicher. In der Neufassung ist eine übersichtliche, leichter zugängliche Struktur gewährleistet. Die Verwendung von „aufgeblähten“ Paragrafen wurde soweit möglich vermieden.
- Nachvollziehbarkeit: Der systematische Aufbau (z.B. strikte Trennung von Verwaltungs- und Sportgerichtsverfahren) zieht sich wie ein „roter Faden“ durch die RuVO und ersetzt die bisherigen systematischen Brüche.
- Praxisnähe: Die Neuordnung der Verwaltungsstellen (z.B. Staffelleiter) bedeutet mehr Nähe der Entscheidungsträger zu den Sachverhalten (Fachausschüsse statt Präsidien als übergeordnete Verwaltungsstellen). Es gibt feste Regeln zur Verfahrenseröffnung durch Sportgerichte.
- Flexibilisierung: Alte Zöpfe wurden rigoros abgeschnitten, zum Beispiel durch die Abkehr von starren Formerfordernissen (Einschreiben). Stattdessen wurden die Tore für moderne Kommunikationswege geöffnet. Moderne Bezeichnungen (Sportgerichte statt Spruchkammern), die Berücksichtigung der Jugend und die stärkere Berücksichtigung von Bewährungsstrafen sind von Vorteil.
- Differenzierung: Eine klare Kompetenzabgrenzung wurde vorgenommen, um teils rechtsstaatlich bedenkliche Aspekte, wie lebenslange Sperren oder ein festgelegtes Strafmaß durch nicht legitimierte Staffelleiter zu vermeiden. Verwaltungsstellen sollen verwalten, gewählte Sportrichter bestrafen! Die Strafrahmen wurden angepasst.
- Anpassung einzelner Normen: Diverse Regelungen, wie etwa zur Diskriminierung wurden neu formuliert. Bisherige Formulierungen hatten sich schlicht nicht bewährt.
- Verfahrensbeschleunigung: Der Grundsatz des (schriftlichen) Einzelrichterverfahrens gilt. Die Sportrichter sind zur Beschleunigung verpflichtet (z.B. durch Frist für die Dauer des schriftlichen Verfahrens). Aspekte, die eine verhältnismäßig lange Verfahrensdauer begünstigten, sind ausgeräumt.
- Verfahrensoptimierung: Ließ die alte RuVO die Verwendung von modernen Hilfsmitteln unberücksichtigt, werden nun Erkenntnisquellen für Staffelleiter und Sportrichter (z.B. Bewegtbilder) erweitert. Telefon- oder Videokonferenzen sorgen für flexiblen Verfahrensablauf für Sportrichter.
- Kostenminimierung: Gebühren für schriftliche Verfahren entfallen. Die Reduzierung der Kammerbesetzung bei mündlicher Verhandlung sorgt ebenfalls für eine Kostenminimierung.
Das ist neu in der RuVO
- Verwaltungsstellen und Sportgerichte
- Aufbau: Der Aufbau der Verwaltungsstellen wird einheitlich geregelt unter Teil II – Verwaltungsverfahren (§§ 15 ff. RuVO). Neu ist, dass Staffelleiter und WDFV-Passstelle nun auch zu den Verwaltungsstellen zählen. Zudem sind Kreisvorstände und Verbandsausschüsse nun auch übergeordnete Verwaltungsstellen, also für Beschwerdeverfahren zuständig.
Befugnisse der Verwaltungsstellen und Verwaltungsverfahren: Hervorzuheben ist die neue, klare Abgrenzung zu den Sportgerichten. Verwaltungsstellen und Verwaltungsverfahren haben nur Befugnisse zu Verwarnungen, Verweisen und Ordnungsmaßnahmen (§ 17 Abs. 1 RuVO), können aber keine Strafen aussprechen.
Klar festgelegt ist die besondere Rolle der Staffelleiter: Diese können Sperrstrafen bis maximal vier Wochen unter bestimmten Voraussetzungen (§ 17 Abs. 2 RuVO) verhängen - und niemals länger. Außer beim Feldverweis erfolgt das nur mit Zustimmung des betroffenen Spielers.
Rechtsschutz gegen Verwaltungsentscheide: Eine schriftliche Beschwerde wird bei der jeweiligen Verwaltungsstelle (§ 19 RuVO) gestellt, danach erfolgt ein Antrag auf sportgerichtliche Entscheidung (§ 20 RuVO). In diesen Fällen gibt es nun eine Berufungsmöglichkeit gegen das sportgerichtliche Urteil.
Achtung: (für die gesamte RuVO gültig): „Schriftlich“ versteht sich viel flexibler als bislang (§ 14 Abs. 2 RuVO). Denn die Schriftform wird auch gewahrt durch die Übersendung einer elektronischen Kopie (pdf) des Originals im elektronischen Postfach oder die Übersendung eines Telefaxes.
- Sportgerichte: Sportgerichte sind die bislang bekannten „Spruchkammern“. Geändert wurde entsprechend die Bezeichnung. Neu ist die Zuständigkeit der Sportgerichte für u.a. sämtliche Sportstrafverfahren (abgesehen von der begrenzten Strafbefugnis der Staffelleiter, s.o.). Ebenso wurde die klare Zuständigkeitsverteilung der einzelnen Instanzen und eine abschließende Regelung bei Verweisung wegen Unzuständigkeit festgelegt.
. Die Sportgerichte und das Einzelrichtersystem
- A. Grundsätzlich
Grundsätzlich gibt es nur zwei mögliche Verfahrensarten:
- Einzelrichter heißt schriftliches Verfahren (nur in Ausnahmefällen auch als Kammer).
- Mündliche Verfahren finden (ausnahmslos) vor der Kammer statt.
Es erfolgt ein anfänglicher Beschluss über die Verfahrensart (§ 30 Abs. 3 RuVO).
- Laut der neuen RuVO besteht eine einheitliche Kammerbesetzung aus dem Vorsitzenden und zwei (in Ausnahmefällen: drei) Beisitzern (§ 22 Abs. 4 RuVO).
- Der Geschäftsverteilungsplan der Sportgerichte (§ 22 Abs. 6 RuVO) wird vorab festgelegt und veröffentlicht.
Unverändert bleibt in diesem Zusammenhang die Verfahrenseinleitung durch betroffene Vereine oder Verbandsorgane (§ 30 Abs. 4 RuVO). Neu ist die Ausnahme der Verfahrenseinleitung durch das Rechtsorgan selbst bei Erkenntnissen aus anhängigen Verfahren (§ 30 Abs. 5 RuVO).
- Als wesentliche Neuerung gilt der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung (§ 34 RuVO). Demnach soll beispielsweise im schriftlichen Verfahren eine die Instanz abschließende Entscheidung spätestens zwei Wochen nach Einleitung des Verfahrens ergangen sein.
- Neu: Regelungen zum fairen Verfahren (§ 31 RuVO).
- Neu: Begründungspflicht zu allen Urteilen (§ 36 Abs. 4 RuVO).
- Neu: Anspruch auf Freispruch bei Unschuld (§ 36 Abs. 5 RuVO).
- Der Einzelrichter
Grundsätzlich ist der Einzelrichter zuständig für das „Tagesgeschäft“. Zur Urteilsfindung ist Folgendes zu beachten:
- Der Einzelrichter kann nunmehr aus zahlreichen Erkenntnisquellen schöpfen (§ 41 Abs. 3 RuVO): schriftliche oder mündliche (Ermöglichung des Prinzips „Telefonhörer“) Aussagen von Zeugen und Sachverständigen, Urkunden, eigene Wahrnehmung inklusive Bewegtbildaufzeichnungen.
- Anschließend erfolgt die Mitteilung der beabsichtigten Entscheidung an die Verfahrensbeteiligten (§ 41 Abs. 4 RuVO) zur Einholung von Stellungnahmen dazu (erneut: „Telefonhörer“ oder auch per E-Mail oder Videokonferenz). Entsprechend wird eine Entscheidung möglichst im Konsens mit den Vereinen angestrebt. Danach erfolgt in der Regel das Urteil.
- Neu: Das schriftliche Verfahren ist gebührenfrei (§ 65 Abs. 1 RuVO).
- Bei zwingenden Gründen ist die Überleitung in die mündliche Verhandlung möglich (§ 42 RuVO).
- Ausnahme: mündliche Verhandlung
- Eine mündliche Verhandlung findet nur unter besonderen Voraussetzungen statt (§ 30 Abs. 2 RuVO). Beispielsweise auf Wunsch eines Verfahrensbeteiligten.
- Eine mündliche Verhandlung wird ausschließlich durch die Kammer (neu: Vorsitzender und zwei – ausnahmsweise drei – Beisitzer) durchgeführt.
- Achtung: Der Ablauf ist zwar unverändert, allerdings wird auch in der mündlichen Verhandlung mit den erweiterten Erkenntnisquellen, wie etwa Bewegtbildern, gearbeitet.
- Weitere wesentliche Änderungen im Überblick
Diskriminierung/Neuformulierung (§ 12 RuVO):
- Der Tatbestand der Diskriminierung wird klarer dargestellt und erweitert. Nunmehr wird zwischen aktivem Tun (Abs. 2) und Unterlassen (Abs. 5) differenziert. Der Verweis auf die RuVO des DFB und die darin normierten unrealistischen Strafen für den Amateurspielbetrieb entfällt. Stattdessen greift der eigene Strafrahmen (§ 12 Abs. 3 und 5 RuVO). Die Sonderzuständigkeit des Verbandssportgerichts gibt es nur noch bei wirklichen Diskriminierungsfällen nach Abs. 2 und 5 (§ 25 Abs. 2 Buchst. m RuVO).
Strafaussetzung zur Bewährung (§ 13 RuVO):
- Die Strafaussetzung zur Bewährung ist bei Sperrstrafen über drei Monaten und bei Geldstrafen jeder Höhe möglich. Eine Prüfung durch das Sportgericht erfolgt von Amts wegen. Die Verhängung von Bewährungsauflagen ist obligatorisch. Die Auflagen werden durch das zuletzt befasste Rechtsorgan überwacht.
Sonstiges:
- Abschaffung der (verfassungswidrigen) Sperre auf Dauer, stattdessen Höchstsperre von acht Jahren möglich (§ 5 Abs. 2, § 9 Abs. 1 RuVO).
- Ordnungsgeldkatalog nicht mehr Bestandteil der RuVO, sondern Verwaltungsanordnung des WDFV-Präsidiums (§ 17 Abs. 5 RuVO).
- Möglichkeit des Ausschlusses einer Mannschaft vom Spielbetrieb (§ 5 Abs. 2 Buchst. l RuVO).
- Anpassungen im Rechtsmittelverfahren.
- Ausnahmslos Gewährung von zwei Instanzen im sportgerichtlichen Verfahren.